Hintergrundinfo zu Führung I: Lichtenberg u. das Schloss
DAS BOLLWERK
Mächtiger Geschützturm aus dem Jahr 1503, Erbauung unter Landgraf Wilhelm II. (Großvater vom Schlosserbauer Landgraf Georg I.). Bollwerk hat schon 500. Geburtstag gefeiert!
Im Volksmund auch „Krautbütt“ genannt (wegen Ähnlichkeit mit den fassartigen Gefäßen zur Aufbewahrung des Sauerkrauts, die, aus Sandstein gehauen, früher in den Kellern der Bauernhäuser standen und heute oft als Blumentröge in Gärten und Höfen stehen).
Der Bau des Bollwerks als Teil der Festung wurde wegen der Erfindung des Schießpulvers erforderlich und war wichtiger Teil des Umbaus der mittelalterlichen Burg zu einer neuzeitlichen landesfürstlichen Festung. Konkreter Anlass war damals ein drohender Krieg zwischen Hessen und der Kurpfalz. (1504 kam es dann tatsächlich zum bayrisch-pfälzischen Erbfolgekrieg, bei dem Lichtenberg verschont blieb, dem Landgrafen aber das pfälzische Groß-Umstadt zufiel. Im 30jährigen Krieg (1618-1648) war das Bollwerk einer der bedeutendsten Stützpunkte im Odenwald.)
Architektur: Der „Batterie-Turm“ ist 15 m hoch, hat 3 Geschosse, einen Umfang von 60 m, 6 m dicke Mauern. Zur Verteidigung des Eingangs ist unmittelbar darüber eine Pechnase mit gotischen Verzierungen (es konnte kochende Flüssigkeit auf den Feind geschüttet werden). Der untere Innenraum besitzt 4 große Schießscharten, die für Geschütze/Kanonen bestimmt waren (die hier noch 1735 aufgestellt waren). Der kreisrunde Schacht in der Mitte des Turms diente dem Abzug der Pulvergase, dem Transport von Geschützrohren, Munition sowie Proviant und der Durchsage von Befehlen.
Im ersten Geschoss befinden sich Schießnischen, die gerade so groß sind, dass Büchsenschützen darin stehen konnten.
Im Treppenverlauf folgen verschiedene Schießscharten und ein in spätgotischen Formen gehaltener Eingang einer Abortanlage (als vorspringender Erker von außen sichtbar).
Das oberste, offene Geschoss diente als Wehrplatte der Aufstellung von größeren Geschützen und ehemals stand hier noch ein kleines Wachthaus, das den Eingang der Treppe schützte (man kann das Fundament noch gut erkennen).
Optimale Lage auf einer alleinstehenden Granitkuppe (260m), ideal um die damalige Siedlung und das Schloss selbst zu schützen. Von hier aus konnte man alle Zugangswege zum Schloss unter Feuer nehmen.
Prächtige Rundsicht, die wir auch noch heute genießen können:
1.Treppe hoch: nach Südwesten Blick Richtung Dorfende Lichtenberg steigt die Altscheuer mit der Heuneburg (376m) auf,
nach Süden liegt unter uns das Dorf Lichtenberg, dahinter Obernhausen mit dem südlichen Teil von Niedernhausen und auf der Höhe Nonrod (350m),
weiter nach rechts das obere Fischbachtal, im Vordergrund zunächst der Herrnsee (weite Wiesenfläche, die 1623 durch Ablassung des Sees, ein ehemaliger Fischteich der Landgrafen, geschaffen wurde.), dahinter ahnt man Billings, oben sichtbar ein wenig von Messbach (im Wald Rimdidim (498m)) und am Talende die ersten Häuser von Steinau und darüber die dichtbewaldete Neunkirchner Höhe (605,5m), höchster Berg des hessischen Odenwaldes (Radarturm erkennbar, Kaiserturm leider nicht),
nach Westen Blick Richtung Bergstraße, Neutscher Windräder, daneben der Frankenstein (394m) mit gleichnamiger Burg und bei guter Sicht den Taunus,
2. Treppe hoch: nach Nordosten Blick über Groß-Bieberau, Reinheimer Bucht, Dieburg, Groß-Umstadt,
weiter nach Osten Blick auf den Basaltkegel des Forstberges (236m) bei Ueberau, sowie den Basaltkegel des Otzbergs und der östliche Odenwald.
Der Sage nach soll es einen unterirdischen Gang zwischen Bollwerk und Schloss gegeben haben (nicht möglich zur damaligen Zeit bei felsigem Boden!). Tatsächlich hat einmal ein starker Palisadenzaun die beiden Gebäude verbunden.
Neben Maurern und Steinmetzen wurden viele Bauarbeiten im Frondienst (Dienstleistung von Bauern an ihre Grundherren) ausgeführt, vor allem der Transport von Baumaterial.
Nachdem Mitte des 18.JH fast alle Verteidigungsmittel (Kanonen, Handfeuerwaffen) nach Darmstadt abtransportiert wurden, verlor das Bollwerk seine Funktion als Verteidigungsturm und verwahrloste.
1827 Beschreibung des Bollwerks vom Topographen Wagner: „Das Bollwerk befindet sich nicht weit vom Schlosse, ist ein runder, halbverfallener, mit Gesträuch bewachsener Thurm, der von ausnehmender Festigkeit ist.“
Tatsächlich stand zur damaligen Zeit ein Baum oben auf!
Ab 1829 erfolgten Reparaturen, da mittlerweile Fremde wegen der Aussicht (Zeit der Romantik) zur Besichtigung kamen. 1845 wurde vom Oberfinanzrat angeordnet, den Baum zu entfernen und die Treppe von Gras zu befreien.
Im 2. Weltkrieg diente das Bollwerk der Bevölkerung als Schutzkeller bei Fliegeralarm.
Bis heute ist das Bollwerk ein weithin sichtbares Wahrzeichen Lichtenbergs und beliebter Aussichtspunkt.
Wichtig bei Führung Bollwerk: Nur mit Gästen erkundbar, die gut zu Fuß sind. Unbedingt eine Taschenlampe mitnehmen, da es im Treppenverlauf stellenweise sehr dunkel ist. Immer beim Verlassen der oberen Wehrplatte die Eisentür offen lassen. Den Schlüssel für die Eingangstür bekommt man bei Lina Muth.