Die Gerichtsbarkeit im Amt Lichtenberg

Vorgeschichte:

(In unserer Gegend findet man das fränkische Haus, im hinteren Odenwald mehr das alemannische Haus.)

Mit dem Sieg der Franken (König Chlodwig) gegen die Alemannen im Jahre 496 kam auch das Christentum in unser Land. Zu seiner Ausbreitung haben besonders die Klöster beigetragen und halfen dem fränkischen Reich bei dessen Aufbau.

Die Franken hatten ihr Land in Gaue eingeteilt. Das Fischbachtal und seine Orte gehörten zum Oberrheingau. An der Spitze eines Gaues stand der Gaugraf. Später nannte man die Gaue auch Grafschaften. Der unterste Verwaltungsbezirk war die Zent (Cent). Aus dem Lateinischen centum (=100). Die Zent umfasste ursprünglich 100 wehrfähige Männer mit ihren Familien.

Für uns zuständig war das Kloster Lorsch (Oberrheingau, westlicher Odenwald über Neunkirchen bis Lichtenberg), das Kloster Fulda (744 n.Chr. von Bonifatius gegründet) verwaltete u. a. den Bachgau und die Zent Umstadt mit der Burg Otzberg (1160 errichtet für die Vögte vom Kloster Fulda).

Die Klöster verbreiteten das Christentum und erschlossen neues Land, welches sie dann besiedelten und verwalteten. Kaiser und Könige haben ihr Land oft durch Vögte (= Lat. Advocatus=Beschützer, Vormund) verwalten lassen. Als Entlohnung erhielten die Vögte Güter und Ländereien als Lehen. Die Klöster wurden immer mächtiger und betrachteten mit der Zeit ihr Lehen als Eigentum. Auf diese Weise entstand in Deutschland die Kleinstaaterei, die sich bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts gehalten hat.

Zu den ältesten Gaugrafen des Oberrheingaues gezählt werden die die Grafen von Katzenelnbogen und sie gehörten zu den bedeutendsten und reichsten Landesherrn im Rhein-Main-Gebiet. Ihr Land zerfiel in zwei getrennte Teile: Die Niedergrafschaft erstreckte sich von St. Goar und Braubach am Rhein nach Osten bis Bad-Schwalbach und der andere Teil, die Obergrafschaft Katzenelnbogen genannt, umfasste das Gebiet von Rüsselsheim über Groß-Gerau, Darmstadt bis Auerbach und die Zent Ober-Ramstadt, zu der auch Fischbachtal gehörte.

Gemäß des katzenelnbogischen „Landgerichtsbuchs“ von 1447 gehörten zur Zent Ober-Ramstadt:

Allertshofen, Asbach, Billings, Brandau, Dilshofen, Ernsthofen, Frankenhausen, Groß-Bieberau, Gundernhausen, Hahn, Haußen, Hottenbach, Hoxhohl, Illbach, Klein-Bieberau, Laudenau, Lichtenberg, Lützelbach, Meßbach, Neunkirchen, Neutsch, Modau, Rodau, Rohrbach, Roßdorf, Steinau, Überau, Webern, Wembach, Wersau.

Die „Kalbe von Reinheim“, die „Herren von Rodenstein“ sowie die „Herren von Wallbrunn zu Ernsthofen“  unterstanden mit ihren Dörfern direkt der katzenelnbogischen Zenthoheit und nicht der Zent Ober-Ramstadt, die sich Mitte des 15. Jahrhunderts mit dem Bereich des Amtes Lichtenberg nahezu deckte.

Zu der Zenthoheit gehörte vor allem die Zentgerichtsbarkeit. In der Zeit zwischen 1600 und 1609 wurde nach einer Neuordnung die Gerichtsstätte von ehemals Ober-Ramstadt, dann Reinheim nach Lichtenberg verlegt.

Die Haupttätigkeit des Zentgerichts bestand in der Aburteilung von Verbrechen und Vergehen, auch Verkäufe, Verpfändungen und Erbschaftsangelegenheiten gehörten dazu und es wurden Strafen verhängt (am Pranger stehen, Geldbußen bis zu Todesstrafen).

Mit dem Übergang der Obergrafschaft Katzenelnbogen an die Landgrafen von Hessen 1458 blieb Lichtenberg Amtssitz. 1629 gehörten zum Amt Lichtenberg 32 Orte und 4 Einzelhöfe:

Allertshofen

Asbach

Billings

Bierbach

Brandau

Ernsthofen

Frankenhausen

Georgenhausen

Groß-Bieberau

Gundernhausen

Hahn

Hausen

Herchenrode

Hoxhohl

Klein-Bieberau

Lichtenberg (Stadt)

Lützelbach

Meßbach

Neunkirchen

Neutsch

Nieder-Modau

Nonrod

Ober-Modau

Ober-Ramstadt

Reinheim (Stadt)

Rodau

Rohrbach

Roßdorf

Steinau

Überau

Webern

Wersau

Nach dem 30jährigen Krieg kam durch die Ansiedlung der Waldenser zum Amt Lichtenberg noch der Ort Wembach hinzu.

Lichtenberg, bestehend aus Schloss und Burg, mit dem Ort Obernhausen (bis 1971 Bestandteil der Gemeinde Lichtenberg) und der Kernbach blieb eine Gemeinde. Die Orte Niedernhausen mit Billings, Meßbach und Nonrod bildeten die Gemeinde oder Mark Waldhausen (war keine eigene Siedlung, sondern nur eine Sammelbezeichnung). Steinau gehörte zur Mark Rodenstein und wurde mit Lützelbach und Neunkirchen Oberdörfer genannt.

Amt Lichtenberg hatte insgesamt

1629 = 3355 Einwohner

1791 = 7671 Einwohner

(Waldhausen hatte 1629 ca. 140 Einwohner, Lichtenberg ca. 110 Einwohner und Steinau ca. 50 Einwohner. Während des 30-jährigen Krieges flohen viele Bewohner der umliegenden Dörfer nach Lichtenberg in und ums Schloss. Was der Hunger übrig gelassen hatte, raffte dann noch die Pest dahin. Viele Orte standen vollkommen leer, in anderen sank die Einwohnerzahl  auf weniger als 10%. (Nonrod z.B. war ausgestorben.) Der Westfälische Frieden wurde 1648 geschlossen, es dauerte allerdings noch 2 Jahre bis sich die Menschen halbwegs in Frieden fühlten.)

1805 kam zum Amt Lichtenberg noch Spachbrücken, Zeilhard und Dilshofen und 1806 noch Georgenhausen, Crumbach/Rodenstein und Brensbach.

Das Zentgericht Lichtenberg bestand bis 1806.

Das Landgericht Lichtenberg bestand von 1821 bis 1848. An seine Stelle trat dann das Amtsgericht Reinheim, später Dieburg (1968).

Lichtenberg war Jahrhunderte hindurch der Sitz des gleichnamigen Amtes und somit Verwaltungsmittelpunkt und Hauptort des nordwestlichen Odenwaldes! Zweimal erhielt es Stadtrecht (1312 und 1360). Lichtenberg war auch fürstliche Residenz mit höfischem Leben. Sogar die berühmten Minnesänger Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach weilten am Hofe in Lichtenberg.

Sage: Im Schloss Lichtenberg im Odenwald wandelt jede Nacht ein kleines weißes Frauchen herum. Sie steigt aus dem Keller herauf und durchstreift die Zimmer, indem sie aus der Wand herauskommt, mitten durch die Stube geht und dann in die gegenüberliegende Wand hineinschlüpft. Darum wollte lange Zeit keine Magd beim Assessor (Amtmann) dienen, der im Schloss wohnte.

Der Amtmann wohnte im sogenannten „alten Schloss“ aus der Zeit der Grafen von Katzenelnbogen. Es wurde unter den hessischen Landgrafen renoviert. Erst als der Amtmann in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts (also ca. 1760) in das neue Renaissanceschloss umzog, verwahrloste dieser Bau, bis er schließlich 1845 einstürzte. (Man nimmt an, dass der Katzenelnbogische Bau einst für die erste Gattin Philipp des Älteren erbaut worden war, welche auf Lichtenberg lebte.)

(Der Titel Assessor wurde ursprünglich nur von Juristen verwendet. Er entstammt dem spätrömischen Recht und wurde von den Beratern des Kaisers bei dessen Rechtsprechung getragen. Seit dem Mittelalter und der frühen Neuzeit hießen so Personen, die am Reichskammergericht und Reichshofrat, bei den Instanzengerichten der Territorien und an den juristischen Fakultäten der Universitäten Recht sprachen.

Hofgerichtsassessoren etwa wurden die Beisitzer an den Hofgerichten genannt, die schon im Mittelalter unter dem Vorsitz des Königs oder eines Fürsten bzw. eines Vertreters gebildet wurden; sie bestanden bis 1806.

Im 19. Jahrhundert (erstmals in Preußen mit dem Gesetz vom 6. Mai 1869) wurden Juristen, die das vierjährige Referendariat bei Gerichten, Staatsanwaltschaften, Rechtsanwälten und Notaren absolviert und die zweite, große Staatsprüfung bestanden hatten, zum Gerichtsassessor ernannt, bevor sie in der Regel nach einem Jahr in das Amt des Richters oder Staatsanwalts berufen wurden. )

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